2025-04-18
HaiPress
Deutsche Behörden haben in Lebensmitteln Rückstände von 140 illegalen und teils hochgiftigen Pestiziden gefunden. Das zeigen Daten der Lebensmittelüberwachungsbehörden für das Jahr 2023,die die Verbraucherorganisation foodwatch ausgewertet hat. Demnach enthalten knapp sechs Prozent der untersuchten Proben – darunter verschiedene Gewürze,Bananen und Mangos – Rückstände von Ackergiften,die in der EU mittlerweile verboten sind. Trotzdem werden diese Substanzen von Pestizidherstellern in Nicht-EU-Staaten exportiert und landeten anschließend auf den Tellern europäischer Verbraucher:innen.
Unter den Pestiziden sind auch mehrere Wirkstoffe,die laut Ernährungsorganisation FAO „hochgefährlich“ sind,da sie als krebserzeugend,erbgutschädigend oder fortpflanzungsgefährdend gelten,etwa der chemische Stoff Ethylenoxid,der bereits seit den 1980ern in Deutschland verboten ist,weil er krebserregend und erbgutschädigend sein kann.
„Mit dem Export verbotener,hochgiftiger Ackergifte machen Bayer,BASF & Co. Profite auf Kosten der Gesundheit und Umwelt,vor allem in den Ländern des Globalen Südens. Wie bei einem Bumerang landen Rückstände der hochgiftigen Stoffe über importierte Lebensmittel auch hierzulande wieder auf den Tellern von Verbraucher:innen“,kritisierte Annemarie Botzki.
In einer Online-Petition fordert foodwatch gemeinsam mit dem Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany),dem Umweltinstitut München und dem INKOTA-Netzwerk die EU-Kommission auf,ein Exportverbot für illegale Ackergifte einzuführen. Die Ausfuhr von in der EU verbotenen Pestizide durch Unternehmen wie Bayer,BASF und Biesterfeld habe verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit von Landarbeiter:innen und die Umwelt in den betroffenen Drittländern. Für importierte Lebensmittel müsse es zudem eine Null-Toleranz für Rückstände dieser Stoffe geben.
Silke Bollmohr vom INKOTA-Netzwerk warnte: „Menschenrechte müssen vor Profite gestellt werden! Deutsche Exportinteressen dürfen nicht auf Kosten der Gesundheit von Landarbeiter:innen und Umwelt in anderen Ländern durchgesetzt werden. Zuzulassen,dass die ländliche Bevölkerung in Afrika oder Asien diesen Risiken ausgesetzt wird,ist menschenverachtend. Sie haben den gleichen Schutz wie wir verdient!“
Ludwig Essig vom Umweltinstitut München: „Während sich die EU als Vorreiterin für Umwelt- und Gesundheitsschutz inszeniert,exportieren europäische Konzerne Tonnen gefährliche Pestizide,die bei uns längst verboten sind. Ein verantwortungsloses Doppelspiel mit verheerenden Folgen für Mensch und Natur in allen Teilen der Welt.“
foodwatch hat 18.188 amtliche Proben,die im Jahr 2023 von Laboren in allen 16 Bundesländern untersucht und an das Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) übermittelt wurden,ausgewertet. Bio-Produkte wurden dabei ausgeschlossen. Es wurden zudem nur solche Proben einbezogen,bei denen mehr als zehn Pestizide analysiert wurden,da nur solche ein aussagekräftiges Bild über die tatsächliche Belastung liefern. Das Ergebnis: 5,8 Prozent der Proben enthalten Rückstände von Pestiziden,die in der EU mittlerweile verboten sind. Besonders betroffen sind Gewürzmischungen,Paprikapulver,Koriander und Bananen – unter anderem aus Ruanda,Pakistan,Indien und Brasilien. Bei Bananen sind es ganze 63 Prozent der mehr als 100 untersuchten Proben,die Rückstände von illegalen Pestiziden aufweisen.
Während ein Großteil der Pestizid-Rückstände keine akute Gefahr für Verbraucher:innen in Deutschland darstellen,fanden die Behörden zahlreiche Stoffe,die laut FAO hochgefährlich sind. Zum Beispiel Ethylenoxid,wovon sich Rückstände vor allem in getrockneten Gewürzen befinden. Der in der EU verbotene Stoff wird unter anderem in Deutschland produziert und in Länder wie Vietnam und Türkei exportiert,wo er zur Entkeimung von Lebensmitteln eingesetzt wird. Der Stoff gilt als krebserregend und erbgutschädigend. In Deutschland gab es 2023 laut lebensmittelwarnung.de insgesamt sieben öffentliche Lebensmittelrückrufe wegen Ethylenoxid-Rückständen.
Ein weiteres kritisches Ackergift ist Carbendazim,das unter anderem in Basilikum,Chilischoten und Mangos nachgewiesen wurde. Es ist erbgutschädigend und fortpflanzungsgefährdend. Aus Sicht von foodwatch ist Carbendazim so toxisch,dass es nicht einmal in geringen Mengen in importierten Lebensmitteln auffindbar sein dürfte. Es wird aber weiterhin von deutschen Firmen exportiert – unter anderem nach Ägypten,Bangladesch,Indien und Brasilien. In Lebensmitteln,die genau aus diesen Ländern stammen,wurden nun Rückstände von Carbendazim nachgewiesen.
„Deutschland ist einer der größten Exporteure von Pestiziden – in Europa und weltweit. Als solcher muss Deutschland Verantwortung übernehmen und sich dafür einsetzen,den Export von verbotenen Pestiziden,die bei uns längst vom Markt genommen wurden,weil sie Menschen nachweislich krankmachen,zu stoppen. Ein Exportstopp für in der EU verbotene Pestizide schadet der europäischen Wirtschaft nicht und kommt Drittländern,der heimischen Landwirtschaft und letztlich uns allen zugute“,sagte Susan Haffmans,Referentin bei PAN Germany.
Nach jahrelangen Kampagnen von foodwatch und anderen NGOs begann die Europäische Kommission im März 2023 mit dem Gesetzgebungsprozess für ein Exportverbot von in der EU verbotenen Pestiziden. Doch bis heute fehlt ein Gesetzentwurf.
Im September 2024 hatte das Europäische Parlament mit großer Mehrheit gegen die Entscheidung der EU-Kommission gestimmt,die Einfuhr von Lebensmitteln,die drei in der EU verbotene Pestizide (Carbendazim,Thiophanat-Methyl und Cyproconazol) enthalten,weiterhin zu erlauben. Diese schädlichen Pestizide wurden 2023 mehrfach in Lebensmitteln nachgewiesen. Das Veto des Parlaments müsse dazu führen,dass die EU-Kommission ihre Entscheidung überdenkt und darüber hinaus strengere Importvorschriften vorschreibt,forderte foodwatch.
Quellen und weiterführende Informationen:
Online-Protestaktion von foodwatch,Inkota,PAN Germany und dem Umweltinstitut München
Policy-Brief: Illegale Pestizide in unserem Essen – um welche Stoffe geht es und wie gefährlich sind sie?
Detaillierte Liste aller nachgewiesenen Pestizid-Rückstände für 2023
Studie von INKOTA und PAN Germany: “Doppelstandards im Pestizidhandel”
PM foodwatch